Herbstanfang mit Seelenfutter

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Eben noch sitze ich bei 34°C brütend auf der Terrasse und schlürfe seufzend Eiskaffee mit viel Eis und wenig Kaffee und wünsche mir heimlich den kühlen Herbst herbei. Kaum habe ich den Gedanken zu Ende gedacht, muss ich den Bikini durch die Winterjacke ersetzen. Ja, direkt so. Bikini aus, Winterjacke an. Fast schockartig fallen nämlich die sommerlichen Temperaturen über Nacht von viel zu warm zu bibberkalt.

Ok, verglichen mit der Antarktis sind 8 °C vielleicht doch nicht bibberkalt. Aber wenn gerade eben noch 34 Grad waren, ist es wie schock-gefrostet werden. Dieses Jahr erscheint es mir sehr extrem. Etwas verwirrend auch für den Körper. War das früher eigentlich auch schon so?

Immer öfter erwische ich mich bei den Gedanken daran, wie ich die Dinge in meiner Kindheit erlebt und gefühlt habe. Haben wir nicht unsere 6 Wochen Sommerferien noch jeden Tag im Freischwimmbad verbracht. Ich weiß es doch noch genau, ich habe mich 6 Wochen lang nur von Pommes Rot-Weiß ernährt. Und immer waren die Pommes ganz unten in der spitzen Tüte von Mayonnaise und Ketchup durchweicht. Waren wir nicht jene, die ihren Schlitten durch Berge von Schnee zogen?! Uns auf steilen halsbrecherischen Abfahrten gnadenlose schlittenduelle boten?! Und das Woche um Woche. Und warum zum Teufel sehe ich das heute alles nicht mehr. Von 6 Wochen Sommer blieben dieses Jahr vielleicht 10 Tage die man im Freischwimmbad hätte verbringen können. Und ich bin echt gespannt ob auch dieser Winter so lausig und schneelos wird wie der letzes Jahr. Ich gehöre ja nicht zu den Menschen, die die übermäßige Wärme so brauchen. Und ich gebe offen und schamlos zu, ich leide bei extremer Hitze einfach.

Im Februar geboren, bin ich vermutlich einfach ein Winterkind. Aber ein ständiger Einheitsbrei aus grau und grau verdirbt einem auch die Schönheit des Winters. Wie immer habe ich mich auch in diesem Jahr sehr auf den Herbstanfang gefreut. Wer sein Schlafzimmer auch unter dem Dach hat, wird es vermutlich nachvollziehen können. Ich hatte schlicht die Nase voll vom Schwitzen. Obwohl mit dem Herbst auch die Herbstdepressionen immer mitschwingen und ich wieder viel gegen die Depression arbeiten muss, ist es für mich eine besondere Zeit. Tee trinken, in kuschelige Decken hüllen, mit Strickzeug und den Hunden gemütlich auf dem Sofa sitzen. Das Laub verfärbt sich in den wunderschönsten Farben. Und das wohl schönste, es wird wieder Zeit für selbst gestrickte Pullover, dicke Schals, Capes und Handschuhe.

Für die strickende Bevölkerung ist der Herbstanfang absolut lohnend. Und ja, ich gehöre auch zu den furchtbaren Menschen die im Oktober schon Lebkuchen essen. Die erste Tüte Marzipankartoffeln ist natürlich schon längst vernichtet. Steinigt mich ruhig, für mich ist es Seelenfutter. In Vorfreude auf den Herbst fing ich also dieses Jahr tatsächlich schon im Hochsommer mit den ersten Herbst/Winter Projekten an. Auf meiner Liste ganz oben stand natürlich ein Cape. Da mein Schrank schon über etliche gekaufte Ponchos verfügt, stellte ich einen Poncho erstmal hinten an und entschied mich für ein ganz einfach gehaltenes Cape zum reinschlüpfen und einkuscheln.

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Auch wollte ich zur Abwechslung mal nicht aufwändig zählen und Ab-und Zunahmen dokumentieren, sondern einfach locker drauf los stricken. Das Garn stand für mich relativ schnell fest. Es sollte unbedingt super flauschig und kuschelig sein. Dennoch hochwertig und fein. Daher entschied ich mich für das neue Garn von Schachenmayr, die Fashion Kid Light in der Farbe Wolke mit 30 % Mohair.  Ein wenig seltsam ist es natürlich schon bei über 30 °C mit Wintergarnen zu arbeiten aber ihr kennt sicher das Gefühl, neue Wolle und Garne in den Händen zu spüren. Man sprüht über vor Freude und will sofort los legen. Man kann gar nicht anders. Man muss sie einfach annadeln.

Gerade frage ich mich ob es Selbsthilfegruppen für Wollsüchtige gibt?! Und hoffe inständig ihr seid auch so Wollsuchtis da draußen, die auch diese Freude und Spannung spüren, wenn sie ein neues Garn in den Händen halten.

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Praktischerweise sind Ponchos und Capes auch dieses Jahr noch absolut Trend und man findet dutzende von tollen Anleitungen ohne Probleme in sämtlichen Medien. Auch ein unkompliziertes Cape, wie geplant fand ich schnell. Ganze Hefte, Bücher und Magazine beschäftigen sich derzeit mit Ponchos & Co.

Im Schachenmayr Magazin 16, fashion moments fiel mir direkt das Cape „Seelenwärmer“ von der Titelseite  ins Auge. Zu sehen auch auf der Seite von Schachenmayr.

↓ Klicke hier ↓

Cape *Seelenwärmer*

Allerdings ist dieses aus der Soft Mix gefertigt. Da ich ja eh immer öfter den Drang habe bestehende Anleitungen auf meine Bedürfnisse zu ändern blieb ich einfach bei meiner Garn Auswahl. Die Maschenprobe ergab für mich aber, dass zweifädig gearbeitet  ausreichte. In der Originalanleitung wurde mit Originalgarn dreifädig gearbeitet. Rückblickend hätte ich auch  dreifädig stricken können. Ich hatte etwas Bedenken ob es dreifädig zu dick werde und somit zu sehr auftragen würde. Aber weit gefehlt. Das Garn ist zart und weich und anschmiegsam. Ich kann also auch dreifädig absolut empfehlen. Ich entscheid mich damals für zweifädig und wie immer bei einem neuen Projekt legte ich euphorisch, fast schwindelig vor Tatendrang, sofort los.

Die Anleitung war in kürzester Zeit gelesen, verstanden und alles auf meine Maschenprobe umgerechnet. Da es weder Ab-und Zunahmen gab, konnte man die Anleitung ganz wunderbar auf ein beliebiges Garn umlegen. Das war genau das Richtige. Einfach, unkompliziert und perfekt für Abende auf dem Sofa vor dem Fernseher.

Das Einzige was sich als etwas hinderlich bei meinen Cape Projekt raus stellte war Aijo. Der kleine chinesische Schopfhund Welpe fand den Weg in unsere Familie doch etwas überraschend. Und wenn ein Welpe ins Haus kommt, herrscht erstmal Chaos. Aijo hat ebenso wie Amor eine Vorliebe für Wolle und Garne. Das stellte ich in kürzester Zeit fest. Anscheinend werden Hunde ähnlich wie Katzen schon mit dem berühmten Knäuel-Gen geboren. Hauptsache immer mitten im Knäuel, auf dem Knäuel oder noch besser, mit dem Knäuel spielen.

Zieht Amor noch seiner Wege nach einigen Kuscheleinheiten mit der Wolle, war Aijo weniger gut zu überzeugen, dass Frauchen jetzt mal alleine stricken wollte. Wann immer ich mich nur umdrehte oder nur ein Glas zu trinken besorgte, lag der kleine Schelm auch schon auf dem Strickstück. Etwas langsamer als gewohnt strickte ich also tapfer mit Welpen und allen zwei Stunden Pipi-Pause stetig mein kuscheliges Cape. Immer wieder sammelte ich klein Aijo schlafend von meinem Strickstück. Minder erfolgreich legte ich den Kleinen immer wieder in sein super Kuschelnest. Aber es war eben einfach nicht aus Wolle.

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Ich strickte mit der Nadelstärke 4 fleißig Reihe um Reihe. Ich hatte die ersten wundervollen Kuschelmomente mit unserem Aijo auf diesem Cape. Diese Momente werden mir ewig in Erinnerung bleiben. Sie sind unmittelbar mit diesem Strickstück verbunden. Eine aufregende spannende Welpenzeit. Und auch sein Welpengeruch, den er leider jetzt als Junghund schon abgelegt hat, wird mir immer in Erinnerung bleiben.

Im wunderschönen Perlmuster erreichte ich kurz vor dem Temperaturabsturz in den Herbst also das finale Maß. Mein Strickstück hatte die angegebene Länge und Breite und der Clou mit dem richtigen Aufeinanderlegen und Zusammennähen machte aus einem Rechteck ein flauschiges locker sitzendes schickes Cape. Es war tatsächlich eins der unkompliziertesten und angenehmsten Projekte. Ich würde es jederzeit wieder abends gemütlich vor dem Fernseher in Angriff nehmen. Jetzt, wo es tatsächlich richtig herbstlich frisch ist, bekomme ich noch mehr Lust auf warme weiche Garne.

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Ein wenig sentimental stimmt der Herbst mich ja schon. Symbolisiert es nicht auch ein Stück Abschied. Die Kraft der Bäume und Pflanzen lässt nach. Sie verlagert sich in die Wurzeln. Blätter und Blüten sterben ab. Verwelken einfach im ersten Frost. Alles macht sich bereit für die kälteste Zeit des Jahres. Zieht sich zurück, wirft überflüssiges ab. Alles mummelt sich ein. Und wie ein Bär, der sich auf den Winterschlaf vorbereitet, so würde auch ich irgendwie gerne instinktiv in einen langen warmen Schlaf verfallen. Mit Mann, Hunden und jeder Menge Wolle die nächsten Monate einfach ins Bett kuscheln. Ab und an was essen und erst wieder Aufstehen wenn die Welt im Frühling wieder erwacht. Eine extreme Müdigkeit überfällt mich immer zu Beginn des Herbstes. Vielleicht einfach der Vitamin D-Mangel durch fehlende Sonnenstunden.

Auch werde ich wieder sensibler, anfälliger und dünnhäutiger als im Rest des Jahres. Ich spüre sehr wohl jedes Jahr erneut die Kraft der Herbstdepressionen. Ein trauriger Schleier der sich über meine Seele legt. Der mich einfach belegt, ob ich nun will oder nicht. Und doch lasse ich mir davon die Liebe zum Herbst nicht nehmen. Er zeigt uns auf wieder Kräfte zu sammeln, genau dort wo wir sie brauchen.  An den Wurzeln, in unserer Seele. Mit unseren Ressourcen wieder sparsamer um zu gehen. Uns gut auf den nächsten Frühling vorzubereiten. Wo wir all unsere Energie brauchen um frisch auszutreiben. Wir befinden uns im Wandel der Jahreszeiten. Es geht auf das Ende des Jahres zu. Wir halten also wieder inne, schauen zurück und bekommen Ehrfurcht davor, dass schon wieder ein Jahr an uns vorbei geflogen ist. Es ist die Zeit des Entbehrens. Wir entbehren der Kraft der Sonne. Jene die uns am Leben hält und mit ihrer strahlenden Kraft auftankt. Es ist an der Zeit ruhiger und kräftesparender zu agieren. Und was hilft uns mehr, als unserer Seele zu geben was sie braucht. Liebe, Wärme und ein wenig Seelenfutter.

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Umhüllen wir uns mit wohligen warmen flauschigen Capes, Pullovern, Jacken und Mützen die uns warm halten bis der Frühling uns aufblühen lässt. Lassen wir auch den Herbst in unser Herz mit all seinen bunten Farben. Lasst uns stricken, Wintergarne genießen und Tee trinken.

Und allen Menschen da draußen, die auch zu Herbstdepressionen neigen möchte ich so gerne Mut machen. Ich habe über viele Jahre hinweg in Therapien erlernen müssen zu erkennen wann und wie ich gegen Depressionen arbeiten kann. Mit den Jahren gelingt es immer besser. Es lohnt sich jedes Jahr aufs Neue, wieder gegen die Depression zu gehen. Man ist nie frei von Schüben und Rückfällen. Aber so ist das Leben. Ein auf und ab. Das Stricken hat mir so viel Kraft und Halt gegeben. Eine Beständigkeit in dunklen Zeiten. Halten wir uns also an unseren Stricknadeln fest und lassen uns in den Herbst treiben.

Ich läute den Herbst mit diesem wunderschönen selbst gefertigten kuscheligen Cape und einer Tasse Tee ein. In diesem Sinne wünsche ich euch einen ganz bezaubernden Herbstanfang mit atemberaubenden kuscheligen Strickprojekten.

Hinterlasst mir gerne einen Kommentar unter dem Beitrag. Ich schalte ihn schnellstmöglich frei.

Eure Nicky

↓Zum Garn geht es hier ↓

Fashion Kid Light

(Verbrauch: ca.300 gr. bei geänderter Nadelstärke und zweifädig)

Und hier noch einmal das kleine Video von Aijo auf meinem Cape

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6 Antworten

  1. Sehr schönes Cape, schön gestrickt und sieht top an Dir aus?
    Auch ansonsten hast Du mir aus der Seele geschrieben! Weiterhin viel Spaß beim Stricken!
    LG Gerlinde

  2. Dein Cape sieht ganz toll aus. Und deine Gefühle und Gedanken sind herzerwärmend und treffen die Seele. Danke und weiterhin “Gut strick!“ …

    1. Ich danke auch dir für deine lieben Worte Sandy 🙂 Wir Stricker/innen sind tatsächlich noch Menschen, die sich gegenseitig unterstützen. Das findet man heute leider nur noch selten. Deswegen freue ich mich immer über Kommentare und Kontakte.

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